Ist die regionale Partizipation nicht einfach eine komplizierte und teure Alibiübung?
Nein. Die Erfahrung aus Etappe 2 zeigte, dass die Anliegen, Forderungen und Stellungnahmen stets Eingang in das Verfahren gefunden haben. Beispielsweise hat die Nagra die Stellungnahmen der Regionalkonferenzen zu den Oberflächenanlagen als Ausgangslage für die weitere Planung benutzt. Gemäss einer Umfrage der Universität Bern unter den Mitgliedern der Regionalkonferenzen erachten über 60% der Teilnehmenden, dass ihre Anliegen in den Entscheidungen zu einem grossen Teil berücksichtigt wurden.
Was ist die Motivation für die Beteiligung in der regionalen Partizipation?
Es gibt verschiedene Gründe, sich am Prozess zu beteiligen. In erster Linie kann man den eigenen Lebensraum und die Zukunft der Region mitgestalten. Dazu gehört, sich mit späteren allfälligen Auswirkungen auf die Region auseinanderzusetzen und Projekte und Massnahmen zur Entwicklung der Region im Falle eines Tiefenlagers zu diskutieren und zu erarbeiten.
Was hat die Partizipation für ein Gewicht? Was passiert mit der Meinung der Regionalkonferenz?
Einerseits bilden ihre Stellungnahmen eine Grundlage für den weiteren Prozess. Beispielsweise orientiert sich die Nagra an den Äusserungen der Regionalkonferenz zu den Standorten für die Oberflächeninfrastruktur. Die Stellungnahmen der Regionalkonferenzen zu Etappe 2 flossen zusammen mit den behördlichen Überprüfungen und weiteren Stellungnahmen in die Gesamtbeurteilung ein. So wird es auch am Ende von Etappe 3 geschehen.
Wie wird regionale Partizipation definiert?
Die regionale Partizipation im Sachplan geologische Tiefenlager bezeichnet ein Instrument einer Standortregion zur Mitwirkung im Sinne von Einbezug und Mitsprache. Ziel ist die Einflussnahme auf das Verfahren. Mit dem Instrument entwickeln und formulieren Bevölkerung, Institutionen und Interessengruppen ihre Forderungen, Anliegen, Fragen, Bedürfnisse und Interessen zuhanden des Bundes und der Gemeinden der Standortregion.
Warum ist dem Volk das Mitspracherecht entzogen worden?
Vor dem Inkrafttreten des Kernenergiegesetzes 2005 waren bei kernenergierechtlichen Bewilligungen die kantonale und kommunale Zustimmung erforderlich. Seither braucht es eine vom Bund erteilte Bewilligung für Kernanlagen. Das Gesetz definiert die Entsorgung als nationale Aufgabe, die Lösung des Problems soll nicht mehr durch lokale und regionale Abstimmungen verhindert werden. Die Rahmenbewilligung einer Kernanlage (z.B. eines Tiefenlagers) untersteht dem fakultativen Referendum, die direktdemokratische Mitbestimmung auf Bundesebene ist also gewährleistet.
Die Mitsprachemöglichkeiten haben im Standortauswahlverfahren ein grosses Gewicht. Das Verfahren ist in einem Sachplan nach Raumplanungsgesetz festgeschrieben - dem Sachplan geologische Tiefenlager. Er gewährleistet einen steten Einbezug der betroffenen Bevölkerung und der interessierten Organisationen.
Was ist das Ziel der Regionalkonferenz?
Eine Regionalkonferenz beeinflusst Entscheidungen auf den verschiedenen Ebenen des politischen Systems. Ihre Forderungen, Anliegen, Fragen, Bedürfnisse und Interessen werden von Bundesstellen soweit möglich beantwortet oder berücksichtigt. Eine Regionalkonferenz äussert sich aber auch zu konkreten Themen wie Oberflächeninfrastrukturen, Fragen der Auswirkungen und wie mit diesen umgegangen werden soll. Zudem stellt der frühe und umfassende Einbezug der Bevölkerung und Interessensgruppen sicher, dass das Verfahren transparent und fair abläuft. Weiter informiert jede Regionalkonferenz die Bürgerinnen und Bürger der Standortregion.
Was können die Gemeinden bewirken?
Die Gemeindebehörden sind politische Verantwortungsträger/innen in der regionalen Partizipation, sie bilden ihre «Trägerschaft». In Etappe 1 haben sie zusammen mit dem Bundesamt für Energie die Regionalkonferenzen aufgebaut. Ab Etappe 2 waren sie Teil der Regionalkonferenzen. Sie vertreten die regionalen Interessen und stellen sicher, dass die Interessen und Bedürfnisse der Standortregion im Verfahren berücksichtigt und einbezogen werden. Auch ein Teil der lokalen Kommunikation gehört zu ihren Aufgaben. Zusätzlich verhandeln die Gemeinden in Etappe 3 mit den Standortkantonen und den Entsorgungspflichtigen über die Abgeltungen.
Werden die Standortregionen gleich behandelt?
Ja, alle möglichen Standortregionen wurden und werden verfahrenstechnisch gleich behandelt. Alle erhalten für die regionale Partizipation die nötigen Ressourcen und die Durchführung verläuft nach denselben Regeln. Mithilfe der Partizipation können die Regionen das Verfahren im Rahmen der Möglichkeiten beeinflussen. Der frühe und umfassende Einbezug der lokalen Behörden, Bevölkerung und Organisationen macht das Verfahren zudem nachvollziehbar.
Wie wird sichergestellt, dass die Mitglieder der Regionalkonferenzen das Wissen haben, um ihre Aufgabe zu erfüllen?
Ein Tiefenlager ist ein komplexes Projekt. Wer sich nicht täglich damit befasst, dem fehlt oft das nötige Fachwissen dafür. Damit aber jedermann die «richtigen» Fragen stellen, die Qualität von Aussagen oder die Nachvollziehbarkeit von Ergebnissen beurteilen kann, ist der Aufbau von Sachkompetenz in der regionalen Partizipation sehr wichtig. Das BFE bietet den Mitgliedern der Regionalkonferenzen deshalb Ausbildungsmodule, Expertenvorträge, Workshops, Studienreisen oder den Erfahrungsaustausch mit Partizipationsgremien aus anderen Standortregionen an und fördern deren Besuch aktiv.
Zudem können über das «Technisches Forum Sicherheit» Fragen zur Sicherheit gestellt werden. Das Forum beantwortet die Fragen und veröffentlicht anschliessend Fragen und Antworten auf dem Internet.
Wer unterstützt die Mitglieder der Regionalkonferenz?
Jede Regionalkonferenz wird von einer Geschäftsstelle unterstützt. Zu verschiedenen Fachthemen kann eine Regionalkonferenz eigene Fachpersonen («Fachbegleitungen») engagieren. Bei Bedarf werden sie auch von Bundesbehörden und einer Prozessbegleitung unterstützt. Zudem wird die fachliche Kompetenz der Mitglieder durch Aus- und Weiterbildungsangebote gefördert.
Wird die Mitarbeit in der Regionalkonferenz finanziell vergütet?
Ja, Mitwirkende der regionalen Partizipation werden entschädigt.
Wie kann Deutschland am Auswahlverfahren mitwirken?
Die Mitwirkung der Nachbarstaaten richtet sich in erster Linie nach den gesetzlichen Vorgaben sowie bilateralen bzw. multilateralen Abkommen und wird im Anhang VI des Konzeptteils Sachplan geologisches Tiefenlager beschrieben. Da geologische Standortgebiete in Grenznähe zu Deutschland zu erwarten waren, hatte Deutschland bereits bei der Erarbeitung des Konzeptteils die Möglichkeit zur Mitsprache. Ab Etappe 1 und in den Regionalkonferenzen wurden und werden Gemeinden und die betroffene Bevölkerung aus Deutschland mit einbezogen.
Die drei verbliebenen Standortgebiete grenzen direkt an Deutschland an. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), das Land Baden-Württemberg und die drei angrenzenden Landkreise Waldshut, Konstanz und der Schwarzwald-Baar-Kreis sind seit Etappe 2 in diversen politischen und fachlichen Arbeitsgruppen direkt vertreten (Ausschuss der Kantone, Arbeitsgruppe Raumplanung, Arbeitsgruppe Information und Kommunikation, Technisches Forum Sicherheit sowie in den Gremien der Regionalkonferenzen).
Zudem hat im Juni 2006 das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) die deutsche «Expertengruppe-Schweizer-Tiefenlager» (ESchT) einberufen. Sie soll Fragen des BMU und der deutschen «Begleitkommission Schweiz zum Sachplan Geologische Tiefenlager (BEKO)» beantworten und das Standortauswahlverfahren fachlich begleiten. Sie erarbeitet zu wichtigen Verfahrensschritten Stellungnahmen, die im Internet publiziert werden.
Die Begleitkommission Schweiz ist eine Plattform zum Meinungsaustausch zur Standortsuche in der Schweiz auf administrativer Ebene unter Leitung des BMU.
Die Stellungnahmen der ESchT und andere deutsche Anliegen werden jeweils geprüft und wo immer möglich im Verfahren berücksichtigt.
Warum wird Deutschland an der Regionalkonferenz beteiligt?
Ausschlaggebend für die Möglichkeit zur Teilnahme an der regionalen Partizipation ist die Zugehörigkeit einer Gemeinde zur Standortregion. Gehört eine Gemeinde zur Standortregion, so wird sie einbezogen – dabei wird kein Unterschied gemacht, ob die Gemeinde in der Schweiz oder im angrenzenden Ausland liegt.
Deutsche Gemeinden können als «weitere betroffene Gemeinden» zur Standortregion zählen, wenn ein im Sachplan geologische Tiefenlager definiertes Kriterium für besondere Betroffenheit erfüllt ist.
Wie wird die sozioökonomisch-ökologische Wirkungsstudie bewertet?
Die Beurteilung der raumplanerischen, sozioökonomischen und umweltrelevanten Auswirkungen auf die Standortregion spielt im Auswahlprozess eine untergeordnete Rolle. Oberste Priorität hat die Sicherheit.
Was sind die möglichen Auswirkungen eines geologischen Tiefenlagers auf die Region?
Geologische Tiefenlager für radioaktive Abfälle haben wirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche Auswirkungen auf eine Standortregion. Diese sollen möglichst früh und objektiv identifiziert werden, um negativen Entwicklungen entgegenzuwirken und die Chancen für positive Entwicklungen nutzen zu können. Mit diesem Ziel führte das BFE in allen potenziellen Standortregionen kantonsübergreifende sozioökonomisch-ökologische Studien durch. Weiter wird ein Monitoring von sozioökomischen Indikatoren durchgeführt und weitere Fragen in vertiefende Studien abgeklärt. Mit einem solchen Monitoring lassen sich effektive Auswirkungen erkennen.
Was wird gegen einen möglichen Imageschaden für die involvierten Regionen unternommen?
Auswirkungen von geologischen Tiefenlagern auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft wurden in Etappe 2 im Rahmen der sozioökonomisch-ökologischen Wirkungsstudie und einer so genannten «Gesellschaftsstudie» untersucht. Diese beinhaltete auch Hinweise für mögliche «Image»-Effekte.
Die Regionalkonferenzen entwickeln in Etappe 3 Ideen für Massnahmen für die gewünschte regionale Entwicklung, begleiten das Monitoring im Bereich sozioökonomischer Indikatoren und wirken bei der Durchführung der Studien zu den vertieften Untersuchungen (VU) mit.
Was lässt sich zur Abwanderung der Bevölkerung und zur möglichen Entwertung von Immobilien sagen?
Ein geringer Wertverlust für nahe an der Oberflächenanlage gelegene Gebäude kann nicht ausgeschlossen werden.
Das BFE führt zusammen mit den Regionalkonferenzen ein sozioökonomisches Monitoring durch. Bei unerwünschten Entwicklungen können so rechtzeitig Gegenmassnahmen getroffen werden.
Was ist der Unterschied zwischen Kompensationen und Abgeltungen?
Kompensationen erfolgen in Form einer Finanzierung und/oder Realisierung von Massnahmen zur Entschädigung von nachweislich negativen Auswirkungen auf eine Region durch Planung, Bau oder Betrieb des geologischen Tiefenlagers. Sie werden nur dann ergriffen, wenn diese Auswirkungen nicht ohnehin schon durch bestehende gesetzliche Bestimmungen abgedeckt sind. Letztere bleiben unabhängig von allfälligen Kompensationen anwendbar.
Abgeltungen hingegen kennen keine gesetzliche Grundlage und sind eine Entschädigung für den Beitrag zur Lösung eines nationalen Problems. Sie müssen ausgehandelt werden.
Gibt es Kompensationsmassnahmen/Entschädigungen für die betroffenen Regionen?
Ja. Kompensationsmassnahmen werden ergriffen, wenn durch Planung, Bau oder Betrieb des geologischen Tiefenlagers negative Auswirkungen auf eine Region festgestellt werden. Die Kompensationsmassnahmen werden in Zusammenarbeit mit der Standortregion und dem Standortkanton erarbeitet, vom Bundesamt für Energie (BFE) genehmigt und von den Entsorgungspflichtigen finanziert.
Sind Abgeltungen vorgesehen?
Aufgrund der Erfahrungen im In- und Ausland ist davon auszugehen, dass die Standortregion/en Abgeltungen erhalten werden/wird. Die Entsorgungspflichtigen haben als Teil der Entsorgungskosten Rückstellungen vorgenommen. Die Verhandlung über die Höhe von Abgeltungen wird zwischen den Vertretungen der Gemeinden der Standortregion, der Standortkantone und der Entsorgungspflichtigen durchgeführt. Dafür wurde in Etappe 2 ein Leitfaden erarbeitet. Sie werden in Etappe 3, nach Bekanntgabe der Standorte durch die Nagra, ausgehandelt, von den Entsorgungspflichtigen aber erst geleistet, wenn eine rechtskräftige Rahmenbewilligung vorliegt (nicht vor 2030).
Für die Verteilung und Verwendung der Abgeltungen erarbeiten die Standortregionen Vorschläge zuhanden der betroffenen Kantone und Gemeinden der Standortregion.